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Ich habe euch gegeben
allerlei Kraut,
das sich besamt
Definition der Phytotherapie
"Die
Pflanzenheilkunde (oder Phytotherapie) ist die Lehre der Verwendung von
Heilpflanzen als Arzneimittel."
Getreide
wurde über Jahrtausende in seiner Ganzheit verzehrt.
Unmittelbar nach dem Mahlen wurde es für den Verzehr zubereitet. Ende
des 19. Jahrhunderts (Industriealisierung) änderte sich das.
Es entstanden Großmühlenbetriebe, die die Versorgung der wachsenden
Städte sicher stellen sollten und große Mengen Korn auf Vorrat mahlen
wollten. Da aber natürliches Mehl durch seinen Gehalt an Fett nicht
lagerfähig ist, sondern ranzig und ungenießbar wird, wenn es nicht
sofort verzehrt wird, wurde eine Methode erfunden, die die betreffenden
Bestandteile (Schale, Keim und Vitalstoffe) vom Mehlkern trennen.
Man erhält so ein rein weißes Produkt, das fast nur aus
kohlenhydrathaltigem Mehl besteht und jahrelang haltbar bleibt, das
heute übliche Auszugsmehl.
Aus diesem Mehl wird das Billigbrot und die meisten Bäckerbrote
hergestellt. Das dem Korn entnommene Leben
(Schale, Keim und Vitalstoffe) wird als Schweinefutter gewinnbringend
vermarktet.
Es folgt
die Mitschrift eines Vortrags:
"Schadstoffe und Umweltmedizin – diagnostische
und therapeutische Ansätze"
Der
englische Politiker Disraeli hat 1877 geschrieben:
"Die
Gesundheit des Volkes ist tatsächlich das Fundament, auf dem all sein
Glück und all seine Kraft als ein Staat abhängen."
Inzwischen
sind toxische Stoffe und die daraus entstehenden Überempfindlichkeiten
für viele die wichtigste Krankheitsursache.
Besonders
die Leute in gefährlichen Berufen müssen geschützt werden, also
Handwerker, Arbeiter, und nicht zu vergessen die Gesundheitsberufe. Wie
schlecht der Schutz oft ist, mussten wir in der Praxis seit etwa 15
Jahre miterleben, zunehmend bei jungen Leuten. Ich berichte nachher
über einige von ihnen und die Erfahrungen, die wir gemeinsam mit
Berufsgenossenschaften, Gutachtern und Gerichten gemacht haben.
Es ist
nicht möglich, durch sogenannte Entgiftungen, durch Vitamine oder was
es sonst noch an mehr oder weniger gut Gemeintem und oft Kostspieligem
gibt, den Schutz vor toxischen Belastungen zu ersetzen oder die Schäden
wieder zu heilen.
Es ist
daher schon lange nicht mehr erträglich, dass man alles laufen läßt,
was drittklassige Industrie zustande bringt, und dass man nachher die
Schäden mit immer den gleichen honorierten Meinungsbildnern abstreitet
und dass die Gerichte nur denen folgen.
("Honorierte
Meinungsbildner" ist eine häufige Umschreibung im Arznei-Telegramm für
käufliche Falschgutachter, die in nicht geringer Zahl vor allem von
Krankenkassen und Versicherungen, gerne auch Sozialgerichten,
eingesetzt werden.)
Erstklassige
Industrie schädigt niemanden, sie braucht also kein Kanonenfutter und
keine Rechtfertigung in Gerichtsverfahren.
Diagnose heißt also bei toxischen Schäden:
-
Klärung der Zusammenhänge, die wichtigste Methode
ist immer die genaue Vorgeschichte,
- Beleg
der Schäden mit zuverlässigen und
wiederholbaren Methoden und
-
Erkennen der dirthy tricks der Gegenseite.
Die
Behauptungen sind oft sachlich sehr einfältig und abstrus, aber es
sieht so aus, als ob sie gerade deswegen von vielen Gerichten als
besonders glaubhaft gehalten werden. Sie sind scheinbar so leicht zu
verstehen, während die Kenntnis der Realität der chemischen,
medizinischen und sozialen Zusammenhänge höhere Anforderungen stellt
und die Gerichte auch dazu zwingen würde, sich gegen mächtige Gruppen
und er Gesellschaft zu stellen, das tut sie offenbar nicht gerne, und
nicht oft, wie im letzten Jahrhundert wiederholt demonstriert wurde.
Therapie
heißt also für uns nicht die Resignation und Pillen-Schlucken,
sondern es heißt Aufklären und Einklagen der vom Grundgesetz
garantierten Unversehrtheit der Person. Für viele Geschädigte gibt es
keinen Weg zurück in die Gesundheit, aber ihnen steht eine faire
Entschädigung und vor allem die persönliche Rehabilitation durch
Anerkennung ihres Rechts und ihrer Schäden zu und nicht die soziale
Abschiebung und die Abwertung mit Bezeichnungen wie "Neurose",
"somatoforme Schmerzstörung, "Rentenbegehren" und "Anpassungsstörung".
Die großen Gruppen der gefährlichen Arbeitsstoffe und
Umweltstoffe heißen:
-
Lösungsmittel, dazu gehören Benzin und Heizöl
-
Metalle,
-
Pestizide, darunter Putz- und Desinfektionsmittel
Viele sind Mischexpositionen ausgesetzt, etwa in Kfz-Werkstätten,
Schreinereien, Reinigungsbetrieben, Krankenhäusern, aber auch im Alltag
jeder Stadt und längst auch der Dörfer.
Man hat
uns glauben gemacht, anders sei der Fortschritt nicht möglich. Den
Rückschritt der gefährlichen Chemie-Anwendung hat man mit viel
Propaganda zum Fortschritt umbenannt und dafür gesorgt, dass für alles
die Schwächsten die Gefahren hinnehmen mussten.
Jetzt ein paar Beispiele:
Herr
W.
C., geb. 1970. Herr W. hat die Mittlere Reife als bester der Klasse
abgeschlossen. Ab 1987 hat er immer in Schreinereien gearbeitet. Seit
der Lehre hat er ständig Farben und Lösungsmittel gebraucht sowie
Kleber. Zur Behandlung kommt er wegen ständiger Kopfschmerzen,
Übelkeit, Schwindel und Vergesslichkeit, besonders für kurzfristige
Gedächtnisinhalte, er vergisst Maße oder Handlungsabsichten, "was
wollte ich noch mal holen?"
Er hat
Gelenkschäden und muss Bandagen an den Handgelenken tragen. Bei der
neurologischen Untersuchung hat er eine deutliche Nervenschädigung mit
der typischen handschuh- und sockenförmigen Verstärkung der
Schmerzempfindung, wird mit dem Nadelrädchen geprüft, und Verminderung
der Berührungsempfindung. Die Muskelkraft ist bei kurzzeitiger
Anstrengung noch gut. Bei der psychologischen Leistungsmessung hat er
schon schwere Schäden. Weit unterdurchschnittlich sind Aufmerksamkeit,
Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit. Auch bei seinen kognitiven
Leistungsbereichen ist die kurzfristige visuelle Merkfähigkeit für
Figuren vermindert und für visuo-konstruktive Fähigkeiten, das ist
erkennbar im Benton - Test, Nachzeichnen von Figuren. Die Schädigung
des Gehirns bestätigt sich mit schweren Ausfällen im PET:
"Großflächige, diffus verteilte Minderung der Glukose-Utilisation, zum
Teil konfluierend".
Die
Meldung an die Berufsgenossenschaft erfolgte im Februar 2000 und im
April 2000 lehnt die Holz-BG schon ab mit der Behauptung, dass keine
Zeichen einer für Lösungsmitteleinwirkungen oder
Holzschutzmitteleinwirkungen typischen Nervenerkrankung vorliegen.
Zudem gebe es keine Hinweise für eine erhöhte Exposition. Diese
Aussagen sind Standard bei den BG's, die Unterlagen, wie die BG zu
diesen Behauptungen gekommen ist, werden den Patienten und mir
vorenthalten. Kurz darauf wird er auch von der Amtsärztin des
Arbeitsamtes für gesund befunden: "Vollschichtig arbeitsfähig für
mittelschwere Arbeiten". Herr. W. klagt vor dem Sozialgericht. Der
Gutachter des Sozialgerichtes behauptet schlicht: "eine Encephalopathie
oder Neuropathie läßt sich nicht verifizieren". Er hat das PET einfach
übergangen und die anderen ärztliche und psychologischen Befunde
sowieso. Daraufhin erstatte ich die pflichtgemäße Anzeige bei der
Landesärztekammer des Saarlandes und bei der Staatsanwaltschaft
04.02.2001. Von beiden Institutionen ist bis heute kein Verfahren gegen
den Gutachter eingeleitet. Das Sozialgericht entscheidet 06/2001: "Da
es somit keinerlei Hinweise für eine Berufskrankheit gibt........
konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen".
Die
Ärztekammer des Saarlandes wiederholt die Aussagen des Gutachters:
"Rein technische Veränderungen..... beweisen zu keinem Zeitpunkt eine
Krankheit und korrelieren oftmals nicht zuverlässig mit einem
klinischen Befund". Daraufhin Weitergabe an das Ministerium als
Beschwerde über die Ärztekammer. Das Ministerium antwortet im Dezember
2001: "In dem von Ihnen geschilderten Falle vermag ich keine Verstöße
gegen geltendes Recht oder Gesetz festzustellen; Veranlassung zum
Einschreiten der Aufsichtsbehörde besteht mithin nicht." Dazwischen hat
Herr W. auch schon vor dem Landessozialgericht verloren. Im Urteil
findet sich sogar schon eine Beschreibung von Kollaps-Zuständen ab
1988, also kurz nach Beginn der Lehre. Das Landessozialgericht urteilt,
dass das "PET nicht geeignet sei, zentral nervöse Störungen zu
beweisen". Bei Herrn W. hat die Polizei ermittelt wegen der Anzeige der
schweren Körperverletzung. Die Arbeit des Polizeibeamten ist
offensichtlich korrekt. Er nimmt weit sorgfältiger als die
Berufsgenossenschaft und die Holz-BG die Tatbestände auf, er kennt wohl
die Situation der kleinen Leute etwas besser aber die Staatsanwältin
ist anderer Meinung: 10/2001: Sie schreibt , dass die Taten inzwischen
verjährt seien so als ob Herr W. nur in der Lehrzeit geschädigt worden
wäre und darüber hinaus sei der Lehrmeister schon 1995 verstorben.
"Dessen ungeachtet" schreibt die Staatsanwältin, "dürfte aus den
vorliegenden Gutachten des Sozialgerichts feststehen, dass Herr W. an
keiner Berufskrankheit leidet." Sie beschreibt also die recht gute
Übereinstimmung zwischen Berufsgenossenschaft, Sozialgericht und
Strafverfolgungsbehörde. Es ist klar, dass Herr W. und ich nicht
vorhatten, ein Strafverfahren gegen den Lehrmeister einzuleiten, es
geht um die Verantwortlichen für den Verkauf und die ungeschützte
Anwendung hochgiftiger Arbeitsstoffe. Der Lehrmeister war selbst ein
Opfer.
Ab und
zu, d.h. wenn der Patient und ich es noch ertragen, fragen wir
Krankenkassen, BG, Sozialgericht, Staatsanwaltschaft, Ärztekammer und
Gutachter auch dem Stand des Arbeitschutzes, die Antworten sind stets
die gleichen.
Herr K.,
H., geb. 1969. Herr K. ist Kurde, 1969 geboren, als 6. von 11 Kindern.
4 Schwestern sind Hausfrauen und gesund, 4 Brüder sind an gefährlichen
Arbeitsstellen, aber bisher noch gesund. Herr K. ist selbst kurz vor
dem Abitur nach Deutschland geflohen: er kam in die Mühlen des
Bürgerkrieges und hatte Angst um sein Leben. Er war zunächst Asylant,
fiel aber bald im Eifeldorf auf durch seine körperliche und geistige
Wendigkeit. Er spielte bis vor 3 Jahren als kleiner, flinker Fußballer
im örtlichen Sportverein. Man hat ihm auch bald eine Arbeit besorgt in
einer Fabrik für Edelstahl-Weintanks. Dort wurden ihm seine besonderen
Fertigkeiten zum Verhängnis. Weil er nun so schmal und geschickt war,
hatte er die Aufgabe von 1991 bis 2001 die Innenarbeiten in den Tanks
zu erledigen, also Beizen, Polieren. An Arbeitsstoffen weiß er noch
Beiz-Paste, Eisenoxid, Beiz-Säure, Stahlreinigungsmittel, Verdünnungen.
Er hat eigene Photos von den Arbeitsräumen und den großen
Edelstahlfässern mit dem engen Einstiegsloch, aber trotz vieler
Bemühungen bis heute keine Sicherheitsdatenblätter über die
Arbeitsstoffe.
Er
berichtet, in den sei es ihm schlecht gegangen. Er habe "nicht mehr
können." Die Firma habe mit der Arbeit wegen vieler Aufträge mehrfach
um 5.00 Uhr begonnen. Man habe ihm gesagt, wegen seines schlechten
Befindens könne er ruhig später kommen. Nach einer Woche habe man ihn
entlassen mit der Begründung, er sei mehrfach unentschuldigt zu spät
gekommen. Schriftliche Unterlagen über die Zusage des späteren
Arbeitsbeginns hat er nicht, aber die Kündigung. Den ersten Prozess vor
dem Arbeitsgericht hat er verloren. Der neurologische Befund zeigt
wieder eine Nervenschädigung mit handschuh- und sockenförmiger
Gefühlsstörung. Seine Muskelkraft ist massiv gesunken. Die Druckkraft
der Hände beträgt etwa 15 kp, normal wäre 45-50 kp. Er ist müde,
depressiv und voll Angst. Bei der psychologischen Untersuchung finden
sich deutliche Schäden der kognitiven Leistung. Das wird bestätigt
durch das PET (S. Folie). Er hat auch Überempfindlichkeiten mit
Immunreaktionen Typ IV bei Teer, Benzin, Permethrin (Insektizid) und
einem Schimmel (Aspergillus) (S. Folie).
Bemerkenswert für den Umgang mit Herrn K ist ein Befund des
Medizinischen Dienstes von 12/2001. Der Gutachter schreibt, es erfolge
bei mir keine psychiatrisch/ psychotherapeutische Behandlung, lediglich
diagnostische Maßnahmen seien durchgeführt worden. Der körperliche
Befund sei nicht krankhaft. Er äußere nur zahlreiche körperliche
Beschwerden. Er müsse noch zum Orthopäden, sei aber ab 12/01 wieder in
der Lage, die letzte berufliche Tätigkeit als Metallarbeiter auszuüben.
Die Sache wird an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, solche Delikte
sind meldepflichtig, von dort bis jetzt keine Nachfrage oder Nachricht.
Nur die Gesundheitskasse wiederholt die gewohnte Formel, das Gutachten
des Medizinischen Dienstes sei für alle Beteiligten verbindlich. Das
ist so eingeführt von den Krankenkassen, nur die ärztlichen Befunde,
die sie beim MDK bestellen, sind verbindlich, und seien sie noch so
abwegig. Der Dialog zwischen den Krankenkassen und den wenigen nicht
den Vorstellungen der Kassen angepassten Ärzten wird seit Jahrzehnten
so geführt: Widerspruch zwecklos. Sofort folgt die nächste
Schwierigkeit: Die Ausländerbehörde will Herrn K. abschieben, weil er
ja keinen Arbeitsplatz mehr hat. Die Entscheidung steht noch aus. Herr
K. verändert sich weiter körperlich und geistig: jeder sieht sein
geschwollenes Gesicht, seinen Haarausfall und seine Voralterung
(Türkische Arbeiter haben eine noch um 7 J. geringere Lebenserwartung
als deutsche.). Er wirkt hilflos und ist sehr depressiv: Seine Kinder
seien sein Ein und Alles. Vor einer Woche sei seine Frau mit den beiden
2- und 3-jährigen Söhnen weg, er wisse nicht wohin. Seine Frau habe es
nicht mehr ausgehalten, weil er so oft grundlos wütend werde.
Die Zerstörung der Familie und der anderen sozialer Verbindungen ist
häufig bei den Geschädigten, sie werden aus der Gesellschaft gedrückt,
marginalisiert. Es ist ein Rätsel, wie man diese große Gruppe wieder in
den Hauptstrom der Gesellschaft integrieren will. Manchmal können wir
die Schäden und den sozialen Abstieg über Jahrzehnte mit verfolgen,
etwa bei:
Herr K.,
geb. 1965. Seine Mutter hat früher viel geputzt. Sie hat neurologische
Schäden, eine chronische Depression und zuletzt noch ein
Mamma-Karzinom. Sein Vater hat Jahrzehntelang als Schreiner gearbeitet
und Möbel verkauft. Toxische Belastungen der Eltern sind immer auch ein
Angriff auf das Erbgut und die frühe Entwicklung der Kinder, die
zurückhaltende Bezeichnung heißt: Kontamination in der Familie. Er ist
das einzige Kind. Die Hauptschule hat er mit mittleren Noten
abgeschlossen, dann hat er Kfz - Mechaniker gelernt, Gesellenprüfung
1984, in dem Beruf ist er heute noch. Schon 1984 führte ein Psychologin
die erste Psychometrie durch. Sie schreibt, "dass er trotz guter
Arbeitshaltung (er ist so fleißig wie seine Eltern.) plötzlich länger
dauernde Leistungsausfälle auftreten und dass seine organische
Mitbeteiligung neben der depressiven Grundstörung nicht ausgeschlossen
sei."
Damals
war er 19 J.
13 J. später 1997 nimmt der Psychologe Klein
die gleichen Untersuchungen durch, er beschreibt: "einen recht
deutlichen Hinweis auf eine Minderung der kurzfristigen anamnestischen
Funktionen (Kurzzeitgedächtnis), im Bereich der akustischen und
visuellen Merkfähigkeit und einen Hinweis auf eine cerebrale
Insuffizienz (Hirnleistungsschwäche)." Herr K. sagt selbst 1997, dass
er häufig Kopfschmerzen hat, dass er vergesslich ist und vieles nicht
mehr aufnehmen kann, etwa bei einem Kurs über Autoelektrik, er komme
mit den Schaltplänen nicht mehr klar. April 1997 wird ein SPECT
durchgeführt, es zeigt die Hirndurchblutung. Es findet sich eine
großflächige Minderung der Hirndurchblutung re. occipito - temporal,
also vom Hinterkopf bis in die Schläfenregion. Auf der li. Seite sind
die Veränderungen weniger ausgeprägt. Bei der neurologischen
Untersuchung findet sich, wie bei den meisten Vergiftungen die
Polyneuropathie, also die handschuh- und sockenförmige Gefühlsänderung.
Die Muskelkraft ist noch gut.
Mai 1998 schreibe ich über diesen
typischen Fall an die Kassenärztliche Vereinigung, an die Krankenkasse
und dann auch an die Bezirksregierung. Bis heute habe ich keine Antwort
erhalten. Das ist die Regel. Die psychologische Untersuchung Dezember
1998 wiederholt und im Februar 2001: keine wesentliche
Verschlechterung, aber Leistungsschwankungen. Im Oktober 2001 folgt das
PET: "Ausgedehnte und schwerwiegende Störungen der Glucoseutilisation,"
also nochmaliger Beleg der schweren organischen Hirnschädigung. Der
neurologische Befund zeigt unverändert die Polyneuropathie, die
kurzzeitige Muskelkraft ist gut, aber er berichtet, dass er viel
schneller müde werde und dass seine Bewegungen immer ungeschickter und
steifer werden.
Herr K. ist freundlich und zurückhaltend und er ist
sehr realistisch. Er lebt sehr zurückgezogen, hat nie getrunken, er
raucht 5-6 Zigaretten, weil es ihn etwas munterer mache (mit Nikotin
kann man Stimmungs- und Leistungsabfall aufbessern. Die Leute in
gefährlichen Berufen rauchen am meisten und erkennbar auch an den
Ländern mit den höchsten Zigarettenkonsum: China und Bulgarien.) Herr
K. beschreibt seine Situation: er arbeite 22 Jahre in der gleichen
Autowerkstatt, die gehe sowieso zurück und werde wohl bald mal
aufgelöst. Viele Kollegen habe er krank werden sehen, besonders die
Lackierer. Wenn er die Arbeit verliere, sei er sich sicher, keine neue
Stelle zu bekommen. Er habe sich auf den sozialen Abstieg schon
eingerichtet. Das sei auch ein wichtiger Grund, warum er in
Einverständnis mit seiner Partnerin auf Kinder verzichtet habe. Er
wisse ja ohnehin nicht, wo sein Kind bleiben könne. (Die Partnerin hat
ihn in den letzten Wochen plötzlich verlassen). Einen Beruf wie seinen
wünsche er keinem. Er werde immer müder, langsamer, er verwechsle und
vergesse vieles, aber durch seine Routine bekomme er die Arbeit noch
hin. Überflüssig zu sagen, dass die BG-Meldung 1997 abschlägig
entschieden wurde, die BG hat nie Auskünfte erteilt, es wurden auch
keine angefordert bei mir. Bei meiner Andeutung eines möglichen
Sozialgerichtsverfahren hat Herr K abgewinkt.
Frau P.,
geboren 1955: Manchmal ist die Vorgeschichte kurz und bündig, viele
Arbeitsstoffe können in wenigen Minuten zu lebenslanger Schädigung oder
zum Tod führen, z.B. Lösungsmittel oder Pestizide. Frau P. hat ja 1977
schon ein paar Jahre im Krankenhaus gearbeitet. Sie war damals 22 Jahre
alt. Sie sollte eine neue Kartusche mit Ethylenoxid in den Sterilisator
einlegen. Jemand hatte den Karton mit Kartuschen auf die Heizung
gestellt. Beim Einlegen in den Sterilisator ist die
Ethylenoxid-Kartusche geplatzt, der Inhalt schoss ihr ins Gesicht. Sie
hat sich sofort gewaschen, aber trotzdem traten schon nach Minuten und
Stunden schwere Symptome auf: Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen,
Übelkeit, Benommenheit. Nach 14 Tagen sei sie in der Küche zum 1. Mal
umgekippt. Nachher eine Reihe von klinischen Untersuchungen. Anfangs
wurde der Zusammenhang mit der Vergiftung für möglich gehalten, aber
1985 wurde alles abgelehnt nach den üblichen Begutachtungen:
z. B.
Prof. Bolt, 6/85:
Er schreibt zwar von einer Ethylenoxid-Vergiftung und einer
nachgewiesenen Zahl von Chromosomen-Brüchen der peripheren Lymphozyten,
aber aus der Literatur gehe hervor, das solche Vergiftungen in aller
Regel reversibel verliefen, spätestens im Jahre `79 hätten die Symptome
allein durch die Ethylenoxid-Vergiftung verschwunden sein müssen.
Unabhängig davon habe sich eine Encephalomyelitis disseminata (MS)
entwickelt, deren "tiefere Ursachen" bis heute ungeklärt sei. Die
Erkrankung werde generell als anlagebedingt bzw. schicksalhaft
bezeichnet. Frau P. wurde später noch 2 - mal schwanger, die
Schwangerschaften endeten mit Spontanaborten. Ein paar Jahre später
wurde eine Hirnatrophie festgestellt im Computertomogramm. 1997 wurden
mit dem PET ausgedehnte Störungen der Glukoseaufnahme dargestellt.
Zunächst wird von den Gutachtern jahrelang bestritten, dass sie einen
peripheren Nervenschaden hat. Mit einer Nerv- Muskel-Biopsie wird
8/2000 die axonale Polyneuropathie mit sekundärer Demyelinisierung
nachgewiesen. Das beeindruckt den Gutachter, der ein falsches Gutachten
geschrieben hat, nicht und ebenso wenig die Berufsgenossenschaft, die
sich auf die Stellungnahme des Falschgutachters beruft und ein erneutes
Verfahren ablehnt. Frau P. sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl. Ihre
körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sind schwer geschädigt.
Auch die neueren eindeutigen Beweise nützen nichts, wie der Richter M.
in seinem Urteil vom 20.01.2000 feststellt. Mit den Beweisen ist er
schnell fertig, indem er über mich spricht "Seine Diagnosen - wie aus
einer Vielzahl vorausgegangener Klageverfahren vor dem Sozialgericht
Trier der erkennenden Kammer bekannt ist, unzuverlässig sind. Die
ärztliche Stellungnahme des Dr. Peter Binz geht über eine gewisse
Polemik nicht hinaus...", so argumentiert er nicht zum ersten Mal und
er liegt damit auf der Linie der höheren Gerichte.
Ein
Sachbearbeiter einer Berufsgenossenschaft hat das bei einem
schwerbeschädigten Metallarbeiter, Herrn B. gut zusammengefasst. Sie
müssen mir nachsehen, dass es ohne Erwähnung meiner Person nicht geht,
aber die Geschädigten bleiben der eigentliche Mittelpunkt der
Geschichte:
Zwei
Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz und des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg werden von allen BG`s oft wie
folgt zitiert:
"Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat im Urteil vom 24.11.1999
(L 6 RI 143/99) zur Person des Dr. Binz angemerkt: "Es ist bekannt,
dass Dr. Binz zu Fragen toxischer Schädigungen eine unkritische,
unsachliche, unwissenschaftliche und geradezu abstruse Meinung
vertritt. Sie wird in Ärztekreisen durchweg abgelehnt und auch
bekämpft, weil Dr. Binz seinen Patienten gegenüber unverantwortlich
handelt. Durch seine unqualifizierte Feststellung überwiegend
schwerster irreparabler toxischer Schädigungen schockiert er seine
Patienten so sehr, dass sie sich dadurch erst richtig krank fühlen.
Medizinische Feststellungen und Beurteilungen des Dr. Binz haben
folglich für den Senat keinerlei Beweiswert".
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom
18.02.1997 (L 2 U 3563/96) im Rahmen eines begründeten
Befangenheitsantrages ausgeführt, dass "... er (Dr. Binz) jeden
angreift, der nicht seiner Meinung ist und ihm unlautere Motive
unterstellt. Bei seinen Äußerungen handelt es sich nicht um einmalige
oder seltene Entgleisungen, sondern um eine generelle Einstellung
gegenüber den Berufsgenossenschaften. Dr. Binz versucht mit häufig
unhaltbaren Argumenten seine Patienten zu beeinflussen; andere Ärzte
nehmen seine diagnostischen Einordnungen wegen deren Stereotypie kaum
noch ernst. Der Leiter des Institutes für Arbeits- und Sozialmedizin
der Universität (...) hat ihm ausdrücklich eine arbeitsmedizinische und
toxikologische Inkompetenz bescheinigt". Ein neurologischer Kollege an
höherer Stelle in der Ärztekammer, der nicht häufig zu nüchterner
Betrachtung in der Lage ist, der die Sache noch anschaulicher schildert
in einer Stellungnahme vom 15.03.2001 mein Verhalten als "krankhaft mit
wahnhaft-querulatorischen Zügen" bezeichnet und weiter ausführt:
"Es
ist gerichtsbekannt, dass Dr. Binz seinen Patienten immer wieder
einredet, sie seien durch toxische Stoffe geschädigt; wenn dann andere
Gutachter zu anderen Ergebnissen kommen, sind es eben
"Falsch-Gutachter". Mit seinem Vorgehen schadet Dr. Binz seinen
Patienten, denn er deklariert behandelbare Erkrankungen als toxisch
bedingt, bei denen eine ursächliche Therapie nicht möglich sei. Damit
wird diesen Patienten eine notwendige Therapie vorenthalten". Zusammen
gefasst, die Schwergeschädigten in unserer Praxis werden immer jünger,
durch die vielfache Belastung oft schon vor der Geburt und in der
frühen kindlichen Entwicklung, etwa die Berufe der Eltern wird die
Schädigung der Erbanlagen schwerer und häufiger. Dazu kommen größere
Mengen von Chemikalien und die feinere Verteilung in der Luft durch
schnell laufende Maschinen oder z. B. die Verdampfung von Metallen beim
Laserschweißen.
Die
Sozialgerichtsverfahren von den
Berufsgenossenschaften und Sozialgerichten haben offensichtlich für die
Betroffenen kaum noch einen Wert, sie sind eine hohe Belastung für die
Geschädigten und ihre Ärzte, die meisten Ärzte entziehen sich dem, in
dem sie keine Arbeitsschäden melden. Der Zweck der Verfahren besteht
darin, die Verantwortlichen vor den Ansprüchen der Geschädigten zu
schützen. Die größte Hilfe für die Geschädigten sind die neuen
Untersuchungsmethoden, etwa der Immunologie und der Radiologie, wie das
PET, die eine Erklärung der Schäden als psychische Fehlentwicklung oder
Neurosen etc. nicht mehr zulassen. Aber auch diese
Untersuchungsmethoden werden mit bestellten Gutachten in Frage gestellt
und von Gerichten häufig als nicht beweiskräftig bezeichnet.
Das System
des Arbeitsschutzes arbeitet bei weitem nicht nach dem Stand des
medizinischen und technischen Wissens.
Die
Ausgänge der Rechtsverfahren
bestätigen nicht die Hoffnungen von Disraeli, der ja den Zusammenhang
zwischen der Gesundheit der Leute und dem Wohlergehen der staatlichen
Gemeinschaft beschreibt und damit zum Handeln auffordert.
Die
Erfahrung
meiner Patienten und meine bestätigen die Einschätzung seiner
Nachfolgerin der Frau Thatcher, die oft zitiert wird mit ihrer Aussage
"There is no such thing as society: So ein Ding - wie soziale
Gemeinschaft gibt es nicht".
Wir sind
der Meinung, dass es die soziale
Gemeinschaft doch gibt, deswegen sind wir ja hier. Das gegenseitige
Verständnis und die Aussprache in der Selbsthilfe-Gruppe sind für alle
eine Erleichterung, aber wir sollten verhindern, dass die
Selbsthilfegruppen als Einrichtung geduldet werden, in der sich die
Geschädigten gegenseitig trösten oder Dampf ablassen, während die
selbstbenannte Schul-Medizin und die Justizverfahren weiterlaufen wie
bisher.
Wir
sollten uns auch nicht mit falschen Versprechungen trösten
lassen über die Jahrzehnte. Man kann mit Expositionsvermeidung,
vernünftiger naturnaher Lebensweise und gegebenenfalls auch mit
Medikamenten, wie Antidepressiva oder durch Ersatz notwendiger Stoffe
oft Verbesserungen erreichen, aber es ist nicht hinzunehmen, dass die
bleibenden Schäden zu einem Problem der einzelnen und ihrer Familie
gemacht werden: Wem's nicht besser geht, der ist selbst schuld, weil er
z.B. bei der Psychotherapie nicht richtig mitgemacht hat. Alle
chemischen Schäden sind vollständig vermeidbar.
Es gibt keinen akzeptablen Grund, dass jemand durch Chemie geschädigt
wird, aber an vielen Arbeitsstellen geschieht das und es ist oft
sorgfältig nach sozialen Klassen eingeteilt. Weil die Schäden bei
vielen von uns nun einmal geschehen sind, wollen wir sie sorgfältig und
vollständig aufdecken. Wir lassen es uns nicht bieten, dass
Versicherungen und Gerichte sichere Beweise hinwegwischen und
mitteilen, solche Untersuchungen wie PET oder LTT seien von ihnen nicht
anerkannt: Wir sehen das als Machtmissbrauch an. Ob eine Untersuchung
aussagekräftig ist oder nicht, entscheidet sich einzig und
allein nach dem Stand der seriösen Fachliteratur, dazu gehört also
nicht der eingekaufte größere Teil der deutschen Arbeitsmedizin. Wir
haben auch die Mittel, uns bemerkbar zu machen. Wir gehören zwar nicht
zu den mächtigen Gruppen in der Gesellschaft, viele von uns sind sogar
sozial marginalisiert. Wir haben auch keine großen finanziellen Mittel
wie die Versicherungen. Wir sind nicht eingeführt mit guten
Verbindungen zu den Leitungen der Versicherungen, Gerichte und
Verwaltungen. Wir haben auch keine Lobby. Wir haben nicht die Macht der
BG's, die festlegen können, wie hoch der Prozentsatz der anerkannten
Arbeitsschäden im nächsten Jahr sein wird.
Wir haben andere Stärken:
Wir
brauchen keine Untersuchung zu vermeiden, wir wollen sogar
besonders viele und genaue. Die Genauigkeit und Vielfalt der
Untersuchungen steigt zusehends, wir müssen dabei gezielt vorgehen und
gemeinsam. Wir müssen auch nicht die Arbeitsplatzbeschreibungen
beschönigen und viele Gifte weglassen, wie die BG's es häufig tun. Wir
wollen genaue Expositionsbeschreibungen und wir schaffen die auch,
indem wir die Berichte vieler aus den gleichen Umständen zusammentragen
und indem wir selbst die notwendigen Auszüge aus der
ernsten Fachliteratur beibringen. Wir sind auch nicht sprachlos zu
machen oder einzuschüchtern. Wir nehmen das Recht wahr, zu den
Untersuchungen der Vertrauensärzte zu gehen und in den
Sozialgerichtssälen zu sitzen. Wir haben auch nichts zu verbergen vor
der Presse. Die Medien waren in den letzten Jahrzehnten wichtige Helfer
bei der Aufklärung und bei der Verteidigung des Rechts. (Andere
öffentliche Institutionen haben sich zum Teil sehr dünn gemacht, etwa
die Ärztekammern, die auch nach vielen Beschwerden der Geschädigten und
ihrer Ärzte sich nicht dazu bereit finden, bekannte Falschgutachter zu
überprüfen. Sie haben statt dessen oft auf Winke der Industrie und der
Versicherungen reagiert und sich die Ärzte vorgeknöpft, die mehr
Arbeitsschäden gesehen haben, als politisch erwünscht waren.) Wir
wollen nicht mehr als uns zusteht, aber das Wichtigste wollen wir
unbedingt, das ist unsere körperliche und geistige Gesundheit, wir
wollen sie auch für unsere Kinder und unsere Kollegen.
Vortrag
von Dr.
med. Peter Binz (Neurologe, Psychiater und Umweltmediziner,
Liebfrauenstr. 4a - 54290 Trier), anlässlich der
Jahreshauptversammlung der MCS+CFS - Initiative NRW e.V., Düsseldorf am
19.10.2002
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